Ich lese gerade das Buch von Thomas Schulz „Was Google wirklich will“. Eine beeindruckende Erzählung der Entwicklung von Google. Eine Geschichte von unbändiger Fortschritts-, Technologie- und Innovationsgläubigkeit insbesondere der beiden Gründer. Zurecht. Zumindest in deren Weltbild. Und zur Weltverbesserung. Das ist ihr ausdrückliches Ansinnen.
Zwei Gedanken gehe ich seit her nach. Einmal der Beschreibung, wie diese Organisation mit Innovationen umgeht. Ganz im Stile dessen, was aus dem Silicon Valley so faszinierend bei uns ankommt und womit so viele Unternehmen ringen: Eine Idee ist eine Idee, vielleicht eine gute, bis sie auf ihre Unsinnigkeit hin überprüft ist. Also erstmal weiterdenken und entwickeln, bevor wir verwerfen. Eine interessante Haltung, wenn man sie sich leisten kann. Eine Idee unter zehn ist der nächste große Wurf. Das ist die Rhythmik. Wieviel Kraft und Optimismus, aber auch wieviel Kompetenz brauchen wir dafür heute? Geht das ohnehin nur mit den Besten der Besten? Oder funktioniert das aufgrund der prägenden Kultur? Einer Kultur der Innovation und eines Reifegrades des eingeübten Kreierens von Neuem und Einschätzens zusammen mit denen, die dafür Talent haben. Könnte funktionieren.
Zum anderen der Gedanke: was bringt diese digitale Technologiewelt mit sich für uns Berater? Was ist Beratung in der Zukunft … noch wert? Und welchen Beitrag kann systemische Beratung leisten?
Systemische Beratung hat das Potenzial, eine Meta-Beratung zu sein.
Das war sie eigentlich schon immer, wie wir „systemisch“ verstehen. Als übergeordnete Orientierung.Wenn wir verschiedene Vorgehensweisen, Modelle und Konzepte mit Steuerungs- und Regiekompetenz verzahnen, und das durchaus undogmatisch, dann hat systemisches Arbeiten als „Beratungsschule“ das integrative Potenzial, das heute gebraucht wird. Herausforderungen gibt es wahrlich genug. Herausforderungen hoch x entstehen durch die Zentrifugalkräfte, die an vielem Existentem heute ziehen. Auch an Organisationen. Bernd Schmid nannte es „Zeitalter der Integration und der Integrationsverantwortung.“ Also die Dinge (sinnvoll) zusammenfügen und zusammenfügbar machen. Das kann die systemische Perspektive. Den Blick lenken auf Systemlösungen anstatt auf Optimierung im Einzelnen. Systemische Beratungs- & Regiekompetenz als Integrationskompetenz, aus einer übergeordneten Position. Als „Klammerkompetenz“, sie bildet die Klammer und hält zusammen. Weiter gedacht hieße das, aus dieser Position und unter dieser Regie Fachexpertise unterschiedlicher Couleur einzubinden, eben auch die Seite der digitalen Technologie für die Veränderung und Erneuerung der Organisation.
(Systemische) Beratung im digitalen Zeitalter = Fachexpertise x systemische Prozessexpertise x technologische Transformation.
Prozessexpertise schließt Lernprozesse mit ein. Es ist ein laufender, großer und umfassender Lernprozess. Für die Multiplikation des Neuen braucht es Lernprozesse und eine Kultur des Lernens im System. Dafür haben die Erneuerer meist wenig Sensibilität und (bedachte) Kapazität.Altes und Neues. Innovation und Exnovation (die Abschaffung des Alten)? Oder doch das Bisherige als Fundament des Neuen? Klingt abgewetzt, zählt aber immer noch… Und wie passt das zu disruptiver Innovation als Chance und Bedrohung?
Damit nochmal zurück zu Innovation. Sie ist auch für uns wichtig. „Ihr seid ein Ort der Beständigkeit.“, höre ich immer wieder über das isb. Das hört sich für mich als Dauer-Typ gut an. Aber da ist eben auch die Seite der Erneuerung. OpenInnovation. Ein Zitat aus dem Buch: „Nur wer kollaboriert, ist innovativ.“
Und das passt zu unserem Open Source Ansatz am isb, wie wir mit vielen unserer Inhalte umgehen. Wir machen es zum Programm, wie wir an neuen Themen arbeiten. In einem recht frühen Entwicklungsgrad sprechen wir mit Menschen darüber. Integrieren sie und ihre Perspektiven und Erfahrungen. Damit reifen die Themen weiter. Das erste Format OpenInnovation zu systemischer Strategiearbeit lief am isb im Jahr 2017. In der nächsten Runde widmen wir uns Beratung im digitalen Zeitalter.